Startseite » BIM » Christine Proksch und BIM: „Die Versuchung für das FM ist gigantisch, alle Daten haben zu wollen“
4builders.: Frau Proksch, Sie haben im Oktober 2019 beim DIN Deutsches Institut für Normung als Gesamtprojektleiterin die Komplettsanierung und den Umbau der DIN Hauptverwaltung in Berlin betreut. Das Projekt war Ihr erstes BIM-Projekt, richtig?
Christine Proksch: Ich hatte null Ahnung von BIM. Klar, ich hatte schon mal davon gehört und habe dann bei Wikipedia nachgelesen, aber kein Wort verstanden. Ich dachte, okay, es sind junge Menschen in meinem Team, die werden wissen, wie es geht. Wussten sie aber auch nicht. Als sich dann herausstellte, dass es dafür keinen Projektleiter gab, meinte mein Chef, dass ich es eben leiten solle.
Hat Sie das abgeschreckt?
Ich leite mein Leben lang schon Projekte. Ich war zum Glück naiv genug, zu sagen, das kriegst du schon hin.
Wie lief es dann weiter?
Wir haben viele Workshops gemacht. Leider wussten wir dadurch immer noch nicht so richtig, was BIM ist und wie wir das umsetzen sollen. Ich war kurz davor, zu sagen, wir lassen es sein. Aber wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt das berühmte Lichtlein her. Das war in meinem Fall Dr. Gerald Faschingbauer, einer der Geschäftsführer von Dr. Schiller & Partner. Er rief an und sagte, sie hätten jetzt die DIN BIM Cloud und ob ich mir das mal anschauen wolle. Also bin ich nach Dresden gefahren, habe mir zeigen lassen, wie man an einer Wand mit Türen und Fenstern Daten anhängt und festgestellt: BIM ist einfach nur ein 3D-Modell, in dem Daten drin sind. Super simpel.
BIM ist keine Raketenwissenschaft. Wichtig ist aber auch: BIM ist keine eierlegende Wollmilchsau.
Christine Proksch
BIM ist einfach nur ein 3D-Modell mit Daten?
Ja, genau. BIM ist keine Raketenwissenschaft. Es ist ein Tool, um Daten von A nach B zu bringen, und zwar schneller als mit herkömmlichen Methoden. Man spart sich damit Listen und vieles mehr, zudem können alle Projektbeteiligten damit arbeiten. Wichtig ist aber auch: BIM ist keine eierlegende Wollmilchsau. Das Gebäude läuft damit nicht von allein.
In Ihrem Projekt lief die Baustelle bereits. Daher hatte es keinen Sinn, BIM für Planen und Bauen zu nutzen. Stattdessen wollten Sie BIM für den Betrieb und haben im Team die DIN BIM Cloud entsprechend um die relevanten Facility-Management-Daten ergänzt. Wieso war das wichtig?
Planen und Bauen spricht anders als das FM. Damit die beiden sich verstehen, brauchte es ein Mapping. Also haben wir die DIN BIM Cloud noch ergänzt, sodass der Planer automatisch die richtigen FM-Daten mitführt. Er muss sie nicht selbst kennen, sie hängen automatisch mit dran.
Hat die Datenübergabe ins CAFM dann wie geplant funktioniert?
Da kam leider der große Frust, es hat nicht funktioniert. Es gab und gibt riesige Unterschiede in der Qualität der Autorentools. Am besten hat es mit Archicad funktioniert, aber darin war nur das kleinste Modell, das der Fassade, erstellt worden. Bei allen anderen war es eine Katastrophe. Es sind die Raum-Zuordnungen verloren gegangen, definierte Property-Sets sind zu Platzhaltern geworden etc. Wir haben viel Arbeit und Geld in Datenmüll investiert. Graphisoft hat uns schlussendlich geholfen und alle anderen Modelle in Archicad überführt und überarbeitet. Dann ging es. Das war ein enormer Erfolg, denn bis dahin gab es kein anderes Beispiel aus der Praxis, das erfolgreich umgesetzt worden war.
Während eines BIM-Projekts kann eine riesige Menge Daten anfallen. Braucht das Facility Management überhaupt alle?
Die Versuchung für das FM ist gigantisch, alles haben zu wollen. Aber gerade bei sehr komplexen Gebäuden werden die Modelle riesig, das ist nicht mehr händelbar. Das CAFM braucht am Ende vielleicht zehn Prozent der Daten, die im Verlauf eines Projekts erfasst werden. Es ist daher sinnvoller, sich auf das zu konzentrieren, was man wirklich braucht. In der DIN BIM Cloud, sind diese Daten automatisch mit den Bauteildaten verknüpft. Das überfordert sonst die Planer und alle anderen, die die Daten eintragen. Und es kostet unnötig Geld. Daher habe ich unser FM von Anfang an gefragt, welche Daten sie überhaupt brauchen.
Das Prinzip hinter BIM ist einfach, aber es ist so schwierig umzusetzen, weil jeder Softwarehersteller seine eigene Story schreiben will.
Christine Proksch
Sie haben sich jetzt jahrelang intensiv mit BIM und FM beschäftigt, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Im Juli ist Ihr Buch „BIM – Einfach machen!“ erschienen, das Sie zusammen mit Dr. Christof Duvenbeck, Dr. Gerald Faschingbauer und Philipp Albrecht geschrieben haben.
Dieses Buch haben wir vor allem geschrieben, um unsere Erfahrungen zu teilen. Darin sind die DIN BIM Cloud und ihre Anwendung erklärt. Unser Ziel ist, dass man in der einen Hand das Buch hält, in der anderen die Maus und es einfach durchprobiert. Das Prinzip hinter BIM ist einfach, aber es ist so schwierig umzusetzen, weil jeder Softwarehersteller seine eigene Story schreiben will.
Was genau meinen Sie damit?
Die Softwarehersteller bauen sich ihre Inseln, jeder baut sich seine eigenen Bibliotheken. Und jetzt will BIM Deutschland auch noch etwas Eigenes entwickeln. Dabei sind im Standardleistungsbuch für das Bauwesen (StLB Bau) alle Normen als Text enthalten, wie man sie ausführt und auf der Baustelle umsetzt. Das StLB Bau ist die Grundlage der DIN BIM Cloud und die wird permanent erweitert, so wie wir in unserem Projekt die CAFM-Daten und Klassifikationen ergänzt haben.
Neben Ihrer Projektleitungsstelle beim DIN haben Sie seit etwa anderthalb Jahren auch die Geschäftsführung der DIN Bauportal GmbH inne. Was machen Sie dort?
Als Geschäftsführerin der DIN Bauportal ist es meine Aufgabe, die DIN BIM Cloud voranzutreiben und publik zu machen. Denn nur mit einer einheitlichen Datenbank funktioniert Open BIM. Parallel suche ich noch nach neuen Entwicklungen, um BIM gesellschaftsfähiger zu machen. Und nach Ideen, wie ich die Menschen dazu bekomme, BIM einzusetzen. Mein großer Job ist aktuell also zu netzwerken, um alle gemeinsam an einen Tisch zu bekommen. Da mache ich auch viel im Bereich CAFM, baue Kontakte zu den Verbänden auf. Damit sich auch das CAFM bemüht, früher mit Planen und Bauen in Kontakt zu kommen.
Aus Ihrer Sicht führt also kein Weg um BIM herum?
Unternehmen sollen sich unbedingt mit BIM beschäftigen. Das kann alles effizienter machen. Das ist der Punkt, wieso ich BIM propagiere. Ich sehe es jetzt am eigenen Gebäude. Mit dem Wissen, das ich heute habe, würde ich manche Dinge wie zum Beispiel die Fassade bereits bei der Planung mit BIM kontrollieren lassen. Und schauen, welche Kosten sie im Betrieb verursacht, ob sie wirtschaftlich tragbar ist. Nicht nur, ob sie toll aussieht.
Aber dafür müssen auch die Bauherren von BIM überzeugt werden.
Bauherren brauchen bestimmte Daten, wenn sie ein wirtschaftliches Gebäude errichten wollen. Wenn sie es langfristig vermieten wollen, müssen sie sich schon bei der Planung dazu Gedanken machen. Entweder die Planer ermitteln zu Fuß wochenlang diverse Varianten mit verschiedenen Fassaden, Bodenbelägen und sonstigen Materialien. Oder sie nehmen BIM und ändern einfach nur ein paar Daten. Aber da muss der Bauherr von Anfang an auf BIM bestehen. Und darauf, dass das FM einbezogen wird.
Wenn Sie sich in Europa umschauen: Wie steht Deutschland in Sachen BIM da?
Wir hinken hinterher. In Dänemark ist es gang und gäbe, dass Planen, Bauen und das FM von Anfang an eng zusammenarbeiten. Und da kommen tolle Gebäude bei raus. Wir Deutschen sind einfach zu langsam. Aber wenn sich in 30 Jahren jemand unser Buch in die Hand nimmt und merkt, ‚Ah, das brauchen wir alles nicht mehr‘, dann wäre mein Ziel erreicht.
Das Gespräch führte Vanessa Michaeli.
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