Startseite » KI & Automation » Energiekosten sparen mit KI: Ein Gespräch mit Dr. Stefan Plesser über Qualitätssicherung in der Planung
4builders.: Herr Dr. Plesser, Sie und Ihr Team haben eine KI-gestützte Software entwickelt, mit der man bereits in der Planungsphase die Qualität der Gebäudetechnik digital managen kann. Wie funktioniert das?
Dr. Stefan Plesser: Durch die Erstellung eines digitalen Gebäudezwillings können wir komplexe funktionale Anforderungen an Gebäude präzise definieren. Der digitale Zwilling ist hier also keine 3D-Darstellung des Gebäudes, sondern ein Modell der Funktionen der verschiedenen Anlagen. Er bildet bei der Inbetriebnahme und in der späteren Nutzung die Grundlage für Funktionsprüfungen. Auf diese Weise kann der Bauherr oder auch ein Property-Manager detailliert prüfen, ob die Gebäudetechnik korrekt eingebaut wurde und tatsächlich funktioniert. Diesen digitalen Qualitätsmanagementprozess nennen wir Technisches Monitoring.
Welche weiteren Vorteile bringt dieses intelligente technische Monitoring? Und wer profitiert davon?
Durch technisches Monitoring kann sowohl die Nachhaltigkeit von Bestandsgebäuden verbessert als auch Mehrverbräuche von Neubauten verhindert werden. Das Technische Monitoring analysiert dazu die entsprechenden Funktionen, z. B. der Heizung oder Lüftung, und identifiziert automatisiert Optimierungspotenziale. Dies betrifft auch Komfortfunktionen und die Vermeidung von übermäßigem Verschleiß.
Wenn Heizung, Lüftung und Co. optimal eingestellt sind, sprich, perfekt zum jeweiligen Haus und seiner Umgebung passen, wirkt sich das auch auf die Wohnkosten aus. Wo sehen Sie in diesem Bereich die größten Einsparpotenziale?
Im Wohnungsbau liegen die größten Einsparpotenziale in der Regel in den Heizungsanlagen. Da im Zuge der Energiewende immer mehr Wärmepumpen installiert werden und oft hybride Anlagen, also Heizungssysteme mit mehreren Wärmeerzeugern, entstehen, wird ein Qualitätsmanagement immer wichtiger. Durch eine KI-basierte Technologie wie die unsere können diese Anlagen automatisiert optimiert und bis zu 30 Prozent des Energieverbrauchs eingespart werden.
In der Planungsphase fallen die wichtigsten Entscheidungen für die Performance.
Dr. Stefan Plesser
Wie kann ein digitaler Zwilling in der Planungsphase dabei helfen, technische Mängel zu identifizieren und langfristig Betriebskosten zu sparen?
In der Planungsphase fallen die wichtigsten Entscheidungen für die Performance. Das gilt übrigens nicht nur für Neubauten, sondern auch für Sanierungen und einzelne Teilmaßnahmen. Meist liegt aber in der Planung die Aufmerksamkeit nur auf der Hardware und nicht auf den Funktionen. Indem wir einen digitalen Zwilling der Funktionen erstellen, fallen Defizite oder Unklarheiten bei der Planung der Funktionen sofort auf und können bereits in der Planung korrigiert werden. Das ist wirtschaftlicher als später im Zuge der oft hektischen Inbetriebnahme.
Wie integriert man Ihre Software „Digitaler Prüfstand“ in den Planungsprozess?
Unser digitaler Zwilling ist zunächst unabhängig von den technischen Formaten der übrigen Planung. In den meisten Projekten erhalten wir konventionelle Unterlagen, die teilweise bereits aus mehr oder weniger komplexen BIM-Modellen erzeugt werden. Eine direkte Anbindung an ein BIM-Modell ist noch die absolute Ausnahme.
Sie interessieren sich für das Thema Building Information Modeling? Buchen Sie jetzt unseren von buildingSMART zertifizierten Lehrgang „BIM Basiswissen mit Praxisworkshop“.
Muss man etwas Bestimmtes beachten, wenn man Ihre Software in einem BIM-Projekt nutzen möchte?
Nein. Wir freuen uns aber, dass die Digitalisierung am Bau hier Fahrt aufnimmt, denn ein gutes BIM-Modell stellt in der Regel bessere und umfangreichere Daten in einer geordneten Art und Weise bereit, als ein traditioneller Planungsstand. Damit können wir dann schneller und präziser arbeiten.
Mit Ihrer KI-gestützten Software hat Ihr Unternehmen laut eigener Aussage bereits über 800 Smart Buildings in Neubau und Bestand optimiert. Gibt es etwas, das Ihnen dabei immer wieder aufgefallen ist? Wenn ja, was?
Die Qualität der technischen Gebäudeperformance hat in den letzten Jahren für die meisten Eigentümer und Mieter keine große Rolle gespielt. Entsprechend haben auch Hersteller, Fachplaner, Errichter und Betreiber ihr keinen hohen Stellenwert beigemessen. In der Folge sehen wir heute viele wiederkehrende Fehler in Anlagen. Effizienzfunktionen wie Zeitpläne, bedarfsgeführte Regelungen, Wärmerückgewinnung etc. sind zwar grundsätzlich vorgesehen, aber über Jahre gar nicht wirklich in Funktion. Positiv gesprochen: Hier liegt ein riesiges Einsparpotenzial, das schnell und günstig gehoben werden kann!
Sie haben synavision 2010 gemeinsam mit Dr. Claas Pinkernell gegründet. Was hat Sie dazu gebracht? Was fasziniert Sie selbst an der Optimierung der Gebäudetechnik?
Die Initialzündung war die Feststellung, dass Bauprojekte und Softwareprojekte in vielen Aspekten ganz ähnlich sind. Am Anfang weiß keiner, was es genau werden soll, dann explodiert irgendwann die Komplexität, so dass man schnell den Überblick verliert, und am Ende ist es sehr teuer. Im Software-Engineering wurden deshalb viele digitale Werkzeuge entwickelt, um diese Probleme in den Griff zu bekommen. Diese Ansätze auf den Bau zu übertragen – der sie dringend braucht –, war und ist eine spannende Herausforderung.
Das Gespräch führte Vanessa Möller.
Sie müssen angemeldet sein. um einen Kommentar abgeben zu können.