Startseite » BIM » “Die Branche denkt noch viel in alten Modellen” – ein Gespräch mit Elisa Rodríguez Contreras
4builders.: Frau Rodríguez Contreras, Sie arbeiten als Design Coordinator bei HB Reavis, einem europäisch tätigen Projektentwickler. Aus welchen Aufgaben besteht Ihr Arbeitsalltag?
Elisa Rodríguez Contreras: Mein Job ist eine Mischung aus Product-Design und Projektmanagement. Ich bin hierbei vor allem für die Planung verantwortlich und setze verschiedene Prozesse auf, kümmere mich um Aspekte aus dem Controlling, beauftrage Fachplaner und Berater und vieles mehr. Mein Job ist sehr vielfältig und ich habe diverse Schnittstellen sowohl mit anderen Abteilungen als auch externen Projektbeteiligten. Das Stakeholdermanagement der in der Planung involvierten Projektbeteiligten, würde ich sagen, ist die Aufgabe mit dem meisten Gewicht in meinem Alltag.
Am Berliner Ostbahnhof planen Sie gerade ein neues Geschäftsgebäude und setzen dabei seit Beginn auf Building Information Modeling (BIM). Wie organisieren Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Projektbeteiligten?
Der durch uns beauftragte Generalplaner in Deutschland hat bereits ein Team, das sich intensiv mit BIM auseinandersetzt und unser Projekt PLTFRM.Berlin am Ostbahnhof plant, sich austauscht und strukturiert. Darüber hinaus haben wir ein internes BIM-Team, welches unsere eigenen Unternehmensstandards setzt und kontrolliert. Daran können und sollen sich die externen Planer orientieren. Wir sind derzeit am Anfang der Ausführungsplanung und können über den Entwurfs- und Genehmigungsprozess hinaus noch keine tiefgreifenden Erfahrungen teilen.
Was lief bezüglich BIM bisher gut?
Bei PLTFRM.Berlin konnten wir bis jetzt gute Erfahrungen machen, was die räumliche Koordination der Gewerke und die Kontrolle der Flächen-, Maß- und Mengenermittlung betrifft. Das hat wiederum die Kostenkontrolle und Überwachung des CO2-Fußabdrucks vereinfacht. Über die Genehmigungsphase hinaus können wir bei Projekten in anderen Ländern hervorheben, dass die Zusammenarbeit insofern gut funktioniert, als dass für alle Projektbeteiligten eine bessere Übersichtlichkeit gegeben ist und kollaboratives Arbeiten erleichtert wird.
Um wirklich effizient mit BIM zu arbeiten, bedarf es eines integrativen und interaktiven Ansatzes.
Elisa Rodríguez Contreras
Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?
BIM setzt einen gewissen Grad der Digitalisierung der beteiligten Gewerke voraus, der in der Form noch nicht ganz in Deutschland gegeben ist. Digitalisierung bedeutet nicht nur, im Digitalraum zu arbeiten, sondern auch einen bestimmten Grad an Automatisierung der Prozesse und eine andere Art der Kommunikation unter Projektbeteiligten zu erreichen. Auch mangelt es derzeit definitiv an Fachkräften, die sowohl den technischen Teil – also BIM als Programm – verstehen, aber gleichzeitig auch fachliche Erfahrung im baulichen Bereich mitbringen. Generell fehlt es noch an einem Umdenken in der Branche und es wird noch viel in alten Modellen gedacht. Um wirklich effizient mit BIM zu arbeiten, bedarf es eines integrativen und interaktiven Ansatzes. Dafür muss die Branche als Ganzes allerdings umdenken und sich von traditionellen Wegen ‘lösen’ – das bedeutet nicht, dass wir Gelerntes vergessen, sondern vielmehr mit neuen Ressourcen, wie BIM, kombinieren. Integrale Planung ist hier das Stichwort.
Das Projekt ist das zweite von HB Reavis in Deutschland, davor war HB Reavis vor allem in Ländern wie der Slowakei, Tschechien, Polen und dem Vereinigten Königreich tätig. Können Sie die Erfahrungen, die Ihre Kolleginnen und Kollegen dort mit BIM gemacht haben, hierher übertragen?
Auf jeden Fall. Als europäischer Projektentwickler ist es ein großer Vorteil, dass wir unsere Erfahrungen innerhalb des Unternehmens teilen und so voneinander lernen können. Natürlich können diese nicht eins zu eins übertragen werden, da jedes Land andere Ausgangs- und Rahmenbedingungen in Bezug auf Regulatorik, Digitalisierung et cetera hat. Prozesse können aber angepasst werden, damit diese den lokalen Bedingungen entsprechen.
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HB Reavis will effiziente und nachhaltige Bürowelten entwickeln. Welche Rolle spielt BIM hierbei?
Durch BIM können wir Ressourcen in jeder Phase des Projekts besser im Blick behalten und managen. Die Tatsache, dass eine Maß- und Mengenermittlung jederzeit möglich ist, erhöht die Übersichtlichkeit über den Bedarf an materiellen Ressourcen und ihre Auswirkung auf die Umwelt. Theoretisch könnte man auch das BIM-Modell mit einem Terminplan beziehungsweise zeitlichen Bauablauf verbinden und dabei auch den Bedarf an personellen Ressourcen sichtbar machen und Prozesse optimieren. Wir sind aber selber noch nicht so weit, alle Möglichkeiten, die BIM anbietet, ausschöpfen zu können.
Wie wichtig ist BIM aus Ihrer Sicht für die Baubranche? Muss jedes Unternehmen in Zukunft die Methode beherrschen?
BIM ist ein Tool, vor dem sich Unternehmen meiner Meinung nach nicht verschließen können – es wird aber auch kein ‘Allheilbringer’, allein schon aufgrund des Fachkräftemangels. In meinen Augen wird es in Zukunft vielmehr darum gehen, ganzheitlich zu denken. Ein wichtiger Aspekt ist hier die Zusammenarbeit zwischen Architekten, Fachplanern und Nachhaltigkeitsberatern. Diese müssen in Zukunft bereits von Beginn an Hand in Hand arbeiten, um so effizient und ressourcenschonend zu planen wie möglich – was natürlich auch im Hinblick auf die Pariser Klimaziele ein große Rolle spielt.
Bevor Sie bei HB Reavis angefangen haben, waren Sie zwölf Jahre lang als Architektin im Architekturbüro gmp tätig. Sie kennen somit sowohl die Auftragnehmer- als auch die Auftraggeber-Seite. Hilft dieses Wissen, Projekte mit BIM besser zu managen?
Definitiv. Auf der Bauherren-Seite erkennt man schnell die Bedürfnisse und Prioritäten des Investors, die häufig an der Effizienz von Einkaufs- und Bauprozessen orientiert sind. Auf der Planer-Seite lernt man aber, was überhaupt umsetzbar und mit welchem Aufwand verbunden ist. Aus meiner Erfahrung, die ich nun auf beiden Seiten sammeln konnte, ergibt sich der Schluss, dass gutes Erwartungsmanagement zu einer Minimierung der Konflikte im Vorfeld führt. Das ist die beste Basis für effiziente Prozesse.
Das Gespräch führte Vanessa Möller.
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