Startseite » BIM » „Wenn es ums Bauen geht, verhalten sich viele Auftraggeber wie digitale Neandertaler“ – Ein Gespräch mit Frank Steffens
4builders.: Herr Steffens, Sie haben bei Brüninghoff bereits vor 13 Jahren mit Building Information Modeling angefangen. Wie ist die Einführung bei Ihnen gelaufen?
Frank Steffens: Wir haben damals zuerst überprüft, BIM aus Sicht der Kalkulation einzuführen. Das hat jedoch nicht funktioniert. Also haben wir uns entschieden, BIM aus Sicht des Planers zu sehen, der dann eben die Kosten hinterlegt. Das haben wir ein halbes Jahr lang ausprobiert und dann festgestellt, dass es nicht möglich ist, mit Planern über Kosten zu reden. Es war nicht die richtige Zielgruppe, um BIM bei uns einzuführen. Die beiden Durchläufe haben viel Kraft gekostet, so viel, dass ich danach erst einmal eine Pause brauchte.
Wie lange ging diese Pause?
Ich wollte sehr lange pausieren, aber es hat dann doch nur ein halbes Jahr gedauert. 2014 auf der DEUBAU habe ich Herrn Dr. Jochen Hanff [Anm. d. Red.: Gründer von ceapoint aec technologies] kennengelernt, der damals schon DESITE entwickelt hatte. Er hat mir das Produkt vorgestellt und das hat mich überzeugt, BIM wieder anzugehen.
Inwiefern überzeugt?
Wir hatten zu früh versucht, die geometrischen Informationen mit den Kosten zusammenzubringen. Das Problem war weniger technologisch begründet, eher organisatorisch. Wir hatten damals schon über 13 verschiedene Autorensysteme im Einsatz und unser Problem war immer, alle in einem Modell zusammenzubringen. DESITE hat BIM von der Geometrie aus gesehen und hat es geschafft, unsere Projekte in einem Modell zusammenzubringen. Da habe ich gesagt: ‚Das ist super, damit habe ich wenigstens einen geometrischen Zwilling, mit dem ich arbeiten kann.‘ Und das war unser Einstieg in Open BIM. Heute beherrschen wir über die Schnittstelle über 30 verschiedene Autorensysteme.
Was früher Stunden gedauert hat, ging jetzt in Sekunden.
Frank Steffens
Sie haben gesagt, dass sowohl die Kalkulatoren als auch die Planer nicht die richtige Zielgruppe war, um BIM einzuführen. Auf wen haben Sie sich dann konzentriert?
Ich wusste, es musste von Anfang an eine neue Zielgruppe mit in das Projekt. Und das waren bei uns alle Projekt- und Bauleiter und der Polier. Denn sie sind auch die Treiber von BIM, sie profitieren später von den Informationen auf der Baustelle. Deswegen haben wir dort angesetzt. Wir haben ihnen das Tool zur Verfügung gestellt, damit konnten sie prüfen und es unter anderem auch für Ausschreibungen nutzen. Was früher Stunden gedauert hat, ging jetzt in Sekunden.
Hat die Konzentration auf die Baustelle dann auch geholfen, die anderen Mitarbeitenden mitzunehmen und niemanden zu überfordern? BIM erfordert schließlich einiges an Veränderung.
Bei Veränderungen überfordern Sie immer per se jemanden, das können Sie gar nicht verhindern. Die Frage ist, warum die ersten beiden Situationen nicht funktioniert haben. Das Problem war, dass wir BIM sehr isoliert gesehen haben, nur aus Sicht der Kalkulatoren oder der Planer. Aber das war nicht der Schmerzpunkt, denn das war die Baustelle. Das waren die Endnutzer damals. Und als die überzeugt waren, haben sie die Ansprüche weitergegeben. Statt den Prozess von oben nach unten durchzusteuern, haben wir ihn sozusagen umgedreht. Ich wollte und will diejenigen vorne haben, die das Endergebnis kennen. Es waren dann die Endnutzer, die Druck ausgeübt und die Organisation positiv beeinflusst haben.
War es für die Akzeptanz wichtig, dass Sie die BIM-Profis intern ausgebildet haben? Oder hätte die Einführung auch mit externen, neuen Mitarbeitenden funktioniert?
Wenn Sie den zukünftigen Nutzer zur Schlüsselperson machen, wenn sich die eigenen Mitarbeitenden sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen, das wirkt sehr vertrauenswürdig. Das ist eine ganz andere Vorgehensweise, als wenn Sie von außen Leute einstellen oder interimsweise dazu holen. Die Frage hier ist immer, wie man solche Projekte grundsätzlich angehen möchte. Das müssen die Geschäftsführer entscheiden und eine klare Ansage machen, wie Informationen zukünftig durch das Unternehmen getragen werden sollen.
Die meisten Auftraggeber wissen nicht, wie hilfreich BIM ist.
Frank Steffens
BIM gehört für Sie jetzt seit Jahren zum täglichen Geschäft. Wie kommt das bei Ihren Kunden an? Fragen die Auftraggeber diese Leistung überhaupt nach?
Die Nachfrage ist bis heute sehr gering. Wenn es ums Bauen geht, verhalten sich viele wie digitale Neandertaler. Auftraggeberinnen und Auftraggebern ist nicht immer klar, was digital alles möglich ist. Sie wissen nicht, dass wir in der Bauwirtschaft heute genauso industriell unterwegs sind wie die Automobilbranche. Deswegen bieten wir BIM als Serviceleistung dazu an.
Was heißt das: Sie bieten BIM als Serviceleistung an?
Wir haben uns den Markt jetzt zehn Jahre lang angeguckt und gedacht, okay, jetzt müssen die Auftraggeber sich doch mal entscheiden, in BIM zu investieren. Aber die meisten wissen nicht, wie hilfreich BIM ist, obwohl sie mehrfach darauf hingewiesen wurden. Ganz viele unserer Kunden haben kein Gefühl dafür, dass es nach dem Bauen weitergeht. Deswegen erklären wir ihnen das. Wir zeigen ihnen, dass sie im Modell zum Beispiel am Objekt Dachrinne die Information hinterlegt haben können, in welchem Intervall sie gereinigt werden muss, und dass diese Info dann automatisch im Betrieb aufploppt. Sowas haben Bauherren nicht auf dem Schirm. Ihnen ist oft nicht bewusst, was das Gebäude überhaupt kann.
Sie haben auch internationale Aufträge. Ist es mit ausländischen Kunden anders?
Im Ausland läuft das anders. Ausländische Auftraggeber sind bezüglich BIM anders eingestellt. Bei Kunden, die schon in Asien oder den USA Projekte hatten, steht das Gebäudemodell von Anfang an im Fokus. Da wird mein Leistungsumfang nicht auf etlichen Seiten beschrieben, sondern es werden die Bauteile im BIM-Modell markiert und die für mich nötigen Informationen direkt dort hinterlegt.
Das Gespräch führte Vanessa Michaeli.
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